Die strukturelle Lücke: Wie die Wortstellung die Übersetzung erschwert
Wer zwischen Sprachen übersetzt, stößt schnell auf ein grundlegendes Problem: Jede Sprache ordnet ihre Wörter nach eigenen Regeln an.
Das Englische folgt dem bekannten Muster Subjekt-Verb-Objekt: "I eat pizza." Im Japanischen steht das Verb jedoch am Satzende: "Ich Pizza esse." Durch diese unterschiedlichen Strukturen ist eine wortwörtliche Übersetzung unmöglich, wenn das Ergebnis in der Zielsprache natürlich klingen soll.
Im Arabischen und Walisischen steht das Verb oft vor dem Subjekt. So wird aus dem deutschen "Der Mann kauft Brot" wörtlich "Kauft der Mann Brot". Professionelle Übersetzer müssen Sätze komplett umbauen und dabei den ursprünglichen Sinn bewahren.
Für Lokalisierungsteams, die an Software-Oberflächen arbeiten, erfordern diese Strukturunterschiede flexible Designs. Die Texte müssen sich an verschiedene Wortstellungen und Textlängen anpassen können. Übersetzungsprozesse müssen diese sprachspezifischen Anforderungen berücksichtigen, damit natürlich klingende Ergebnisse entstehen.
Sprachlernende empfinden diese Strukturunterschiede oft als besonders herausfordernd. Viele hören irgendwann auf, im Kopf zu übersetzen (siehe weiter unten) und lernen stattdessen, direkt in der Zielsprache zu denken. Dieser Ansatz ist zwar schwieriger, aber deutlich effektiver beim Erlernen einer Fremdsprache.
Redewendungen und kulturelle Kontexte
Redewendungen stellen wohl die bunteste Herausforderung beim Übersetzen dar. Diese Ausdrücke tragen Bedeutungen in sich, die über ihre einzelnen Wörter hinausgehen und sich nur schwer in andere Sprachen übertragen lassen.
Die englische Redewendung "it's raining cats and dogs" ergibt wortwörtlich ins Spanische oder Französische übersetzt keinen Sinn. Übersetzer müssen eine gleichwertige Formulierung finden, die starken Regen in der Zielsprache ausdrückt, wie etwa das slowakische "padajú traktory" (es regnet Traktoren).
Der kulturelle Kontext beeinflusst Übersetzungen auf unzählige Arten. Wörter, die sich auf Essen, Feiertage und soziale Gepflogenheiten beziehen, haben oft keine direkten Entsprechungen. Das mittlerweile allgegenwärtige dänische Wort "hygge" zum Beispiel umfasst Gemütlichkeit, Behaglichkeit und Zufriedenheit. Um dieses Konzept im amerikanischen Englisch zu erklären, braucht es mehrere Wörter.
Für Lokalisierungsteams stellen diese kulturellen Feinheiten besondere Herausforderungen dar. Bei der Anpassung von Marketingmaterialien müssen Übersetzer sowohl die wörtliche Bedeutung als auch die kulturellen Implikationen jeder Formulierung berücksichtigen. Deshalb setzen Übersetzungsdienste Muttersprachler ein, die Redewendungen in beiden Sprachen verstehen.
Selbst alltägliche Formulierungen können Kopfzerbrechen bereiten. Eine einfache Begrüßung wie "Wie geht es Ihnen?" funktioniert in verschiedenen Kulturen unterschiedlich. In manchen Sprachen lädt diese Frage zu einer echten Auskunft über das Befinden ein, während sie in anderen nur eine Höflichkeitsfloskel ist. Das führt zu möglichen Missverständnissen bei wörtlicher Übersetzung. Amerikaner sind immer wieder verblüfft, wenn ich die Frage tatsächlich mit mehr als ihrem üblichen "Gut, danke" beantworte. 😅
Mehrdeutigkeiten und verschiedene Bedeutungen
Die Übersetzung wird zusätzlich erschwert, wenn Wörter mehrere Bedeutungen haben. Ein einzelnes Wort in einer Sprache kann je nach Kontext verschiedene Übersetzungen erfordern. Ohne tiefgreifende Sprachkenntnisse ist eine präzise Übersetzung kaum möglich.

Nehmen wir das englische Verb "to run". Es kann körperliches Joggen, das Führen eines Geschäfts oder das Ausführen von Software bedeuten. Um die richtige Entsprechung in der Zielsprache zu wählen, muss der Kontext erst begriffen werden. Diese Herausforderung tritt besonders häufig bei technischen Übersetzungen auf, wo Fachbegriffe spezifische Bedeutungen tragen können, die sich von der Alltagssprache unterscheiden.
Homonyme verkomplizieren Übersetzungsprozesse zusätzlich. Wörter, die gleich klingen, aber unterschiedliche Bedeutungen haben, erfordern sorgfältige Unterscheidung. Das spanische Wort "vela" kann beispielsweise je nach Kontext sowohl "Kerze" als auch "Segel" bedeuten. Automatische Übersetzungstools haben mit solchen Unterscheidungen noch immer Schwierigkeiten.
Die Umgangssprache und regionale Ausdrücke variieren erheblich innerhalb derselben Sprache. Britisches, amerikanisches und australisches Englisch enthalten Wörter und Phrasen, die Muttersprachler aus anderen Regionen verwirren können. Wenn Sie versuchen, Slang-Ausdrücke zwischen Sprachen zu übersetzen, vervielfacht sich die Herausforderung.
Professionelle Übersetzungsdienste haben Qualitätssicherungsschritte implementiert, um solche potenziellen Bedeutungsfehler aufzufangen. Übersetzer benötigen sowohl Sprachkenntnisse als auch kulturelles Bewusstsein, um zu erkennen, wenn ein Wort besondere Konnotationen über seine Wörterbuchbedeutung hinaus trägt. Das macht die Übersetzung zu einer Kunstform, die menschliches Urteilsvermögen erfordert.
Verben, Zeitformen und grammatische Eigenheiten
Ein weiteres Hindernis für eine korrekte Übersetzung sind grammatikalische Unterschiede. So können unterschiedliche Regeln für Verben, Zeitformen und andere grammatikalische Elemente das Verständnis und die Übersetzung erschweren.
Verbzeiten veranschaulichen dies perfekt. Das Deutsche sechs Zeitformen, während das Chinesische eher auf Kontext als auf Verbkonjugation setzt, um Zeit auszudrücken. Das Spanische unterscheidet zwischen zwei Formen der Vergangenheit (Pretérito für abgeschlossene Handlungen und Imperfecto für andauernde oder gewohnheitsmäßige vergangene Handlungen), die das Deutsche meist durch das Perfekt oder Präteritum ausdrückt - ohne diese feine Unterscheidung zwischen abgeschlossen und gewohnheitsmäßig.
Das grammatische Geschlecht stellt in vielen Sprachen eine zusätzliche Hürde dar. Spanisch, Französisch und Deutsch beispielsweise weisen Substantiven Geschlechter zu, was sich auf Artikel, Adjektive und Pronomen auswirkt. Dieses Konzept verwirrt oft Englischsprachige, da ihre Muttersprache kein grammatisches Geschlecht verwendet.
Warum ist das Übersetzen selbst für Google Translate so schwer?
Die KI-Übersetzung hat sich in den letzten Monaten stark weiterentwickelt, doch es bleiben Lücken bestehen. Zwar bewältigen DeepL und Google Translate einfache Inhalte mittlerweile recht gut, doch sie haben weiterhin Schwierigkeiten mit kontextabhängigen Bedeutungen, die sich über Absätze oder Dokumente hinweg ändern.
Diese Systeme glänzen bei technischer Dokumentation, straucheln aber bei kreativen Texten. Große Sprachmodelle wie GPT-4 und Claude erkennen mehr Redewendungen als frühere Systeme, können aber immer noch mehrdeutige Phrasen oder kulturelle Referenzen, die für bestimmte Regionen spezifisch sind, falsch interpretieren.

Bei längeren Texten wahrt die neuronale maschinelle Übersetzung eine deutlich bessere Einheitlichkeit als frühere Generationen von Tools. Trotzdem entdecken Profis überall subtile Fehler, die nur ein menschliches, kulturelles Bewusstsein erfassen kann.
Ganz zu schweigen davon, dass die grauenhafte Satz-für-Satz-Vorgehensweise von LLMs eine große Schwäche darstellt. KI-Tools übersehen oft größere narrative Zusammenhänge, was zu Widersprüchen oder unnatürlichen, roboterhaften Formulierungen über Absätze hinweg führt. Das kann problematisch sein in Marketingmaterialien, um nur einen Bereich zu nennen, wo Ton und Stimme außerordentlich wichtig sind.
Heutige professionelle Lokalisierungsprozesse nutzen typischerweise maschinelle Übersetzung als Ausgangspunkt, gefolgt von menschlicher Verfeinerung. Dieser hybride Ansatz bringt Effizienz und Qualität in Einklang, sodass sich Fachleute auf Nuancen konzentrieren können.
Solche Tools werden immer besser, und das sehr schnell. Aber für wichtige Übersetzungen in den Bereichen Literatur, Marketing und in anderen Spezialgebieten, in denen die Bedeutung des kulturellen Kontexts sehr wichtig ist, bleibt die menschliche Aufsicht unerlässlich.
Die Psychologie der Übersetzung
Der mentale Prozess hinter der Übersetzung bringt seine eigenen einzigartigen Herausforderungen mit sich. Viele Sprachlernende machen einen häufigen Fehler: Sie übersetzen alles zuerst in ihrer Muttersprache, bevor sie in einer anderen Sprache sprechen oder schreiben.
Dieser Wort-für-Wort-Ansatz verlangsamt das Sprachenlernen. Wenn Sie im Kopf von einer Sprache in eine andere übersetzen, zwingen Sie Ihr Gehirn, doppelt so hart zu arbeiten, um Informationen durch Ihre Muttersprache zu verarbeiten, bevor Sie bei Ihrer Zielsprache ankommen.
Erfahrene Übersetzer und Polyglotte empfehlen, direkt in der Zielsprache zu denken. Das bedeutet, Konzepte direkt mit Wörtern und Phrasen zu verbinden, ohne den Umweg über die Muttersprache als Zwischenschritt zu nehmen.

Um diese Fähigkeit zu entwickeln, ist Zeit zum Nachdenken und Üben erforderlich. Viele Sprachlernende berichten von einem Durchbruchsmoment, wenn sie aufhören, alles mental in zwei Sprachen zu übersetzen, und beginnen, ganz natürlich in ihrer neuen Sprache zu denken.
Aussprachehürden
Während die schriftliche Übersetzung zahlreiche Hürden hat, fügt die gesprochene Sprache eine völlig neue Komplexitätsebene hinzu. Sprachen enthalten Laute, die in Ihrer Muttersprache möglicherweise nicht existieren, was physische Barrieren für eine korrekte Aussprache schafft.
Die französischen Nasalvokale, das spanische gerollte "r", die Mandarin-Töne, hebräische Rachenkonsonanten und Klicklaute im Xhosa erfordern Mund- und Zungenpositionen, die viele Nicht-Muttersprachler noch nie verwendet haben. Ohne angemessenes Aussprachetraining kann also selbst fehlerfrei übersetzter Inhalt beim Sprechen unverständlich werden.
Sprachbasierte Übersetzungsanwendungen stehen vor genau diesem Problem. Während sie grammatisch korrekte Übersetzungen erzeugen können, versagen sie oft bei der Wiedergabe authentischer Aussprachenmuster, was zu roboterhaften oder unverständlichen Ausgaben für Muttersprachler führt.
Betonungsmuster und Intonation schaffen zusätzliche Hindernisse. Das Englische nutzt beispielsweise Betonung, um zwischen ähnlichen Wörtern zu unterscheiden (pérfect vs. perféct) oder Fragen zu signalisieren. Das Japanische verlässt sich auf Tonhöhenakzent zur Wortunterscheidung, während tonale Sprachen wie Vietnamesisch die Tonhöhe nutzen, um die Wortbedeutung völlig zu verändern. Diese prosodischen Merkmale lassen sich selten direkt zwischen Sprachsystemen übertragen.
Über die Herausforderungen hinaus
Die Übersetzung bleibt trotz technologischer Fortschritte ein anspruchsvolles Handwerk, aber es werden künftig immer weniger tatsächliche Linguisten im Prozess involviert sein. Jeder aus der Sprachbranche, der etwas anderes behauptet, verleugnet die Realität.
Moderne Übersetzungsstrategien konzentrieren sich auf Prozessoptimierung und zukunftsorientierte Organisationen bauen automatisierte Übersetzungsprozesse auf, die KI-Technologie für mehr Effizienz nutzen. Menschliche Expertise wird nur dort eingesetzt, wo sie am wichtigsten ist.
Lokalisierungsingenieure erstellen Inhaltssysteme, die von Grund auf für mehrsprachige Bereitstellung konzipiert sind. Dieser Ansatz, bei dem die Internationalisierung an erster Stelle steht, reduziert strukturelle Barrieren für die Übersetzung, bevor sie überhaupt entstehen.
Statt linguistische Abteilungen auszubauen, werden wir mehr Investitionen in KI-Infrastruktur und Ingenieurtalente sehen. Der Fokus verschiebt sich rapide von der Beschäftigung großer Übersetzerteams hin zur Einstellung von ein oder zwei Ingenieuren, die KI-Übersetzungspipelines optimieren, individuelle Sprachmodelle implementieren und automatisierte Qualitätskontrollsysteme entwickeln können. Content engineering ist jetzt das A und O. In der Produktentwicklung spielen Übersetzungen weiterhin eine Rolle. Anstatt jedoch mehr Personal aufzustocken, werden sie jetzt durch technische Lösungen angegangen.
Je besser sich diese Technologien entwickeln, desto mehr Feinheiten der kulturübergreifenden Kommunikation werden wir entdecken, die den bleibenden Wert menschlicher Einsicht unterstreichen. Wenn wir verstehen, warum das Übersetzen so schwierig ist, können wir sowohl die technologischen Lösungen für diese Herausforderung als auch das menschliche Fachwissen, das sinnvolle kulturübergreifende Kommunikation ermöglicht, besser einschätzen.